story vom 04.06.24

«Ein präziser Plan ist erfolgsentscheidend»

2023 hat der Business Park Baselland 100 neue Kontakte zu potenziellen Jungunternehmerinnen und -unternehmern hergestellt, 70 kostenlose Erstgespräche geführt und die Erarbeitung von 15 Businessplänen begleitet. Marcel Zumkemi zieht nach über einem Jahr als Geschäftsführer eine erste Bilanz. Der Inhaber einer Beratungsfirma und Jurymitglied der Swiss Innovation Challenge 24 erklärt, worauf es bei der Firmengründung ankommt und welche Rolle ChatGPT dabei spielt.

Welche Erfahrungen hast du in deinem ersten «Amtsjahr» beim Business Park Baselland gemacht?

Marcel Zumkemi: Äusserst positive. Unser Angebot kommt sehr gut an. Vor allem die durch den Kanton und unsere Promotoren unterstützte kostenlose Gründungsberatung wird sehr geschätzt.

Woher kommen heute die an einer Firmengründung Interessierten?

Ich unterscheide hier grundsätzlich zwischen drei verschiedenen Zielgruppen:
So gibt es die ausgebildeten und erfahrenen Fachexperten, die als nächsten Entwicklungsschritt den Traum von der Selbständigkeit verwirklichen möchten.
Gründungs-Interessierte mit einem Fachhochschul- oder Universitätsabschluss und die aus grösseren Unternehmen kommen, möchten mit einer eigenen Firma eine neue Sinngebung finden (als Alternative zur Festanstellung).
Und ältere Gründungs-Interessierte überlegen sich diesen Schritt auch, weil sie einen gewissen Druck auf dem Arbeitsmarkt spüren und so dem altersbedingten Verlust ihres Arbeitsplatzes vorbeugen wollen.

Wer meldet sich bei euch?

Marcel Zumkemi lacht: Der «Breitensport» – wir betreuen vorwiegend Schreiner, Maler und andere Handwerker/Gewerbetreibende sowie Dienstleister wie zum Beispiel im Immobilienbereich oder in der Personalberatung. Sie haben sich in ihrer Branche/ihrem Bereich jahrelang Fachkompetenz aufgebaut und kommen oft mit einer klaren Vision zu uns. Hingegen sind Spinoffs aus der Life Science-Szene, IT-/Hightech-Tüftler bei den anderen Startup-Organisationen wie Basel Area Business & Innovation, der  Startup Academy Baselland und je nachdem auch beim Business Parc Reinach/Liestal besser aufgehoben.

Wie unterscheiden sich die genannten Zielsegmente in ihren Bedürfnissen voneinander?

Ältere Firmengründende brauchen unter Umständen mehr psychologische Zuwendung. Sie sind oft emotional(er), da von Ängsten bzw. Sicherheitsbestrebungen getrieben. So steht bei ihnen viel auf dem Spiel, was etwa die Altersvorsorge-Gelder oder rechtliche Fragen betrifft. Dabei ist es besonders wichtig, die richtigen Fragen und Themen aufzuzeigen. Und wenn es mit der Umsetzung der Geschäftsidee nicht so schnell im Detail funktioniert, braucht es einen Plan B.

Anders verhält es sich bei jüngeren Startup-Kandidaten, die am liebsten sofort loslegen möchten.
Auf jeden Fall gilt für alle Zielgruppen, ihre spezifischen Bedürfnisse präzise abzuklären und sich dafür die nötige Zeit zu nehmen. Bei Bedarf ziehen wir aus unserem breiten Netzwerk u.a. Treuhänder, Vorsorge-/Versicherungs-, Social Media- und andere Experten bei.

Nach welchen Grundsätzen berät der Business Park Baselland potenzielle Anwärter bei der Gründung?

Bei unserer Beratung stehen grundsätzlich drei grosse Fragen im Zentrum, deren Bejahung die Voraussetzung für eine Firmengründung bilden:
Kann ich mit meinem Angebot für ein Kundensegment ein Problem lösen bzw. ein Bedürfnis erfüllen?
Bringe ich die nötigen Kompetenzen und erforderliche Technik für die Realisierung meiner Geschäftsidee mit?
Und lässt sich diese wirtschaftlich umsetzen?

Was passiert, wenn diese Fragen alle mit Ja beantwortet werden?

Danach geht’s an die detaillierte Planung: Welches Produkt bringt wieviel Umsatz? Wie hoch sind die Kosten etc. Ein durchdachtes und strukturiertes Vorgehen und dazu als Leitfaden ein guter Businessplan sind bereits die halbe Miete.

Zurück zu den «jungen Wilden», die möglichst schnell losstarten wollen. Via ChatGPT lässt sich online in Sekundenschnelle ein pfannenfertiger Businessplan erstellen. Reicht das schon, oder worauf kommt es an, um sich ein langfristig erfolgreiches Geschäft aufzubauen?

Ein angehender Firmengründer muss präzise sein beim Erarbeiten seines Geschäftsmodells und Businessplans. Zwar liefert ChatGPT dazu digital das nötige Standard-Wissen bzw. eine brauchbare Vorlage und erbringt im Gegensatz zu früher, wo man sich aus dem Internet Formulare heruntergeladen hat, jetzt richtig «Content».

Nichtsdestotrotz kann KI eine vertiefte interaktive Auseinandersetzung mit dem Thema nicht abdecken. So sollten Gründer eine unverkennbare USP (unique selling point/proposition) für ihr Produkt/ihre Dienstleistung entwickeln. Dazu empfiehlt sich, mit Hilfe bzw. angeleitet von Profis zwischen den «Zeilen» zu lesen und sich zu fragen: Habe ich meine Kunden schon verstanden, was kann ich ihnen weiter bieten?

Hierfür ist das «Gegen-Challengen» im Dialog sehr wichtig und hilfreich. Dazu können Bekannte und Freunde nach ihrer Meinung gefragt werden: Würdest du das Produkt kaufen, dich zu diesem Seminar anmelden, ist das spannend genug, verhebt es etc.? So lässt sich mit minimalem Aufwand testen, wie das Angebot bei potenziellen Abnehmern ankommt.

Die Coaches beim Business Park Baselland sind selbst alle erfahrene Unternehmer. Du bist Inhaber der Zumkemi Consulting GmbH (mit Fokus auf Organisations-, Führungs- und Teamentwicklung) und bist derzeit auch als Jurymitglied der Swiss Innovation Challenge 24 im Einsatz. Welche Eigenschaften sollten angehende «Startup-ler» mitbringen?

Generell gilt: Verfüge ich über genügend Zeit, Energie und Durchhaltewillen für Gründung und Aufbau der eigenen Firma? Bin ich dazu die richtige Persönlichkeit? Ist bereits ein Netzwerk vorhanden? – Wenn nicht, braucht es noch mehr «Schnauf» und Geld. – Viele unterschätzen auch, was man für die Akquise an Eigenschaften und Elan mitbringen muss. Wenn ich mir das selbst nicht zutraue, muss ich mir z.B. überlegen, ob ich mir einen Verkäufer leisten kann, der das für mich übernimmt.

Wem rätst du explizit ab?

Ich rate dringend von einer Firmengründung ab, wenn ich merke, dass die Fantasien (zu) hoch-gegriffen bzw. die Erwartungen unrealistisch sind. Will zum Beispiel jemand für ein Managergehalt nur noch drei Tage in der Woche arbeiten, dann läuten bei uns die Alarmglocken. Deshalb erkundigen wir uns bei Anwärtern immer nach den Lohnvorstellungen. Bis zur Gewinn-Phase eines Jungunternehmens vergehen in der Regel zwei bis drei Jahre, in denen man selbst als dessen CEO finanziell etwas kürzertreten sollte.

Der Business Park Baselland ist Partner von startup baselland. Wie beurteilst du die Initiative zur Förderung von Firmengründungen?

«Startup Baselland» gibt Suchenden einen guten Überblick über alle relevanten Beratungs-, Raum- und Finanzangebote und zum Ökosystem im Kanton. Ich schätze diese Kooperation der verschiedenen Organisationen sehr. Gemeinsam können die Initianten grössere Projekte stemmen, z.B. Events wie kürzlich die «Startup-Schmiede» durchführen oder an Messen wie der Berufsschau Baselland teilnehmen und dabei auch das eigene Netzwerk erweitern… So lassen sich zudem Synergien besser ausloten und nutzen.
Die eine oder andere Anfrage habe ich schon an eine Partner-Organisation weitergeleitet…


Das Gespräch führte Kathrin Cuomo-Sachsse, Redaktorin startup baselland;
Fotos: Business Park Baselland und Aljoscha Oesch von Lupus

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