Aufbau und Finanzierung von Unternehmen standen im Fokus des gemeinsamen Netzwerkanlasses der Startup Academy Baselland, der BLKB und von Swisspeers vom 27. Mai in Liestal. Robert Sum, Mitgründer von Nanosurf, einer führenden Entwicklerin und Anbieterin von Rastersonden-Mikroskopen, und Michael M. Mohler, Mitgründer und CEO von Lyfegen, einer digitalen Plattform für das Management von Rückvergütungen für Medikamente, schilderten die spannende Reise ihrer Hightech-Firmen. ExpertInnen wie (neben den Veranstaltern) die Verantwortlichen der Initiative «100fürsBaselbiet», e-CFO.net und von der «Neuen Regionalpolitik» (NRP) Baselland, stellten die verschiedenen Lösungen und Anlaufstellen im Kanton vor.
Nanosurf wurde 1997 von drei «jungen Wilden» in Liestal gegründet. Einer der Pioniere war damals Robert Sum – heute Coach bei Innosuisse und Verantwortlicher für Unternehmenspflege bei der Standortförderung Baselland.
Der Physik-Doktorand entwickelte zusammen mit seinen Kollegen in einer Garage (zunächst noch zu Ausbildungszwecken) Raster-Tunnelmikroskope für die Untersuchung von Oberflächen auf atomarer Ebene. «Atome sehen auf dem Café-Tisch», lautete die USP.
Mit der Businessplan-Beratung von «KTI Startup» (der Vorgänger-Organisation der heutigen Innosuisse) erhielt das Startup der Universität Basel die nötige Unterstützung.
Startkapital selbst gestemmt
Zu dritt stemmten sie das Startkapital von 100'000 CHF für die AG selbst. Die Entwicklung des ersten Produkts finanzierten sie noch mit KTI-Fördergeldern, den Aufbau ihrer Firma jedoch v.a. durch den Verkauf ihrer Produkte: «Das Geld muss von den Kunden und nicht von einem Sponsor kommen. So waren wir bestrebt, möglichst schnell viel Umsatz zu machen», betont Robert Sum, dann verantwortlich für Sales & Marketing: «Unsere Einnahmen liessen zunächst nur ein bescheidenes Salär zu. Zur Aufbesserung habe ich in den ersten Jahren Mathe-Abendkurse gegeben», ergänzt er.
«Mars»-Mission und Innovations-Preise
Auf das Tunnelmikroskop folgte das so genannte Rasterkraftmikroskop (AFM). Dieses kann Oberflächen mit hoher Präzision analysieren und in 3D visualisieren, indem es mit einer Mikro-Nadel ganz fein im Nanometerbereich über die Oberfläche fährt. Diese Technologie lässt sich beispielsweise für die Qualitätsprüfung von Spiegeln für Halbleiter-Maskenprojektoren einsetzen.
Das Start-up lancierte weitere Innovationen und entwickelte sich zu einem globalen High-Tech-Unternehmen, erhielt mehrere Preise und war an bedeutenden Projekten beteiligt, darunter der NASA Phoenix-Mission auf dem Mars. In Spitzenzeiten (heute mit 80 Mitarbeitenden) verdreifachten sich die Nettoverkäufe jährlich, und reinvestierten sie vom Gewinn in Forschung & Entwicklung.
Höhenflüge, Finanzkrise, Reorganisation…
Einzig 2008 – im Jahr der grossen weltweiten Finanzkrise – geriet auch Nanosurf unter Zugzwang. So brach ein deutlicher Teil der Einnahmen aus den USA weg. «Wir mussten den Gürtel enger schnallen und bauten drei Stellen ab. Wir benötigten dringend neue Geräte, wollten dazu jedoch (noch) keine fremden Investoren (her)beiziehen.»
Robert Sum kümmerte sich um die Reorganisation sowie um Innovationsprojekte und stellte einen neuen Geschäftsführer an seiner Stelle ein. 2014 verliess er das aufstrebende Unternehmen mit einem Medtech-Spinoff. Sein Nachfolger leitete eine Finanzierungsrunde von ca. 2 Mio. CHF mit Privatinvestoren ein. So gelangte Nanosurf in den «High-End-AFM»-Markt und kamen die Geräte für immer grössere Technologie-Anwendungen zum Einsatz.
…und Verkauf
2023 wurde Nanosurf an das deutsche Unternehmen Lab14 verkauft. Heute hat die Firma über 75 Mitarbeitende und ihren Hauptsitz (immer noch) in Liestal. Sie ist führend in der Entwicklung und Produktion sowie im Vertrieb von Rastersonden-Mikroskopen und umfassenden Messsystemen für die Qualitätssicherung im Mikro- und Nanometer-Bereich und bietet hochmoderne AFM-Systeme für Industrie und Forschung an sieben Niederlassungen weltweit an.
Rückvergütungen im Gesundheitswesen revolutionieren
Die Lyfegen HealthTech AG wurde 2019 von drei Experten aus den Bereichen Life Science, Technologie und Finanzdienstleistung gegründet, um den Rückerstattungsprozess zwischen Pharma-Firmen und den Gesundheitsversicherern für patentgeschützte Medikamente effektiver und (kosten-)effizienter machen. Übergeordnetes Ziel: Mit bezahlbaren Nettopreisen PatientInnen den Zugang zu lebensrettenden Medizinprodukten, Medikamenten und Therapien (schneller) zu ermöglichen.
Michel Mohler, einer der drei Gründer, schilderte am Anlass den innovativen Lösungsansatz von Lyfegen: Die cloudbasierte Plattform des Basler Unternehmens sammelt Einkaufs- und Gesundheitsdaten, analysiert Medikamentenpreis-Verträge und leitet daraus Rückvergütungen für die Gesundheitsversicherer ab. Damit diese wiederum die Rückvergütungen voll automatisiert, transparent und schnellstmöglich von den Pharma-Unternehmen zurückerhalten, übernimmt Lyfegen in deren Auftrag auch gleich das Inkassomanagement.
Im Förderprogramm von 100fürsBaselbiet
Parallel zum Aufbau galt es, die Finanzierung der aufstrebenden Firma in die Wege zu leiten.
Bald schon kam Lyfegen ins Programm von «100fürsBaselbiet». Dort hatte das Advisory Board das Geschäftsmodell auf «Herz und Nieren» geprüft und das grosse Zukunftspotenzial der Plattform erkannt. (Im Rahmen der von der Standortförderung Baselland mitgetragenen Initiative stellt die BLKB Fremdkapital in Höhe von CHF 100'000 - CHF 500'000 mit einer Laufzeit von maximal drei Jahren zur Finanzierung des nächsten Entwicklungsschritts zur Verfügung. Hinzu kommen Coaching und Mentoring sowie Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten.)
Fit mit starken Finanzpartnern
Ergänzt durch das eigene und das Geld von Privaten (u.a. Friends, Family and Fools) kam ein Startkapital von 1 Millionen CHF zusammen.
Darüber hinaus schloss Lyfegen eine Series A- Finanzierungsrunde mit internationalen Venture Funds von gegen 8'000’000 CHF ab. «Im Rahmen dieser Finanzierungsrunde konnten wir den sogenannten Product-Market-Fit aufzeigen», so Mohler.
Doch für die Eroberung der US- und anderer Weltmärkte (mit einem geschätzten Potenzial von 400 Milliarden US-Dollar) waren weitere grosse Investitionen nötig. Mit aMoon, einem Risikofonds aus Tel Aviv und zwei weiteren FinTech-Venture Funds standen drei starke Finanzpartner zur Seite. Diese brachten zusammen mit den involvierten Family Offices für die drei Finanzierungsrunden insgesamt fast 13 Millionen CHF Eigenkapital auf.
Über 5000 Rabatt-Verträge
Heute wird ihre Software von über 50 Kunden in 8 Ländern eingesetzt. Dazu gehören Pharma- und Medtech-Konzerne wie Novartis, Roche und Johnson & Johnson, Gesundheitsversicherer wie CSS, Sympany und nationale Kostenträger in internationalen Märkten. Das Startup mit mehr als 50 Mitarbeitenden managt rund 5000 Rückvergütungs-Verträge im Wert einer halben Milliarde USD jährlich. «Dank unseres Teams, unserer Erfahrung und unserer einzigartigen Technologie sind wir optimal aufgestellt, um in West-Europa, Kanada und den USA die Marktführerschaft im Bereich der Rückvergütungs-Abwicklung auszubauen und die Gesundheitssysteme kosteneffizienter zu gestalten», so Mohler.
«Wir haben am Netzwerk-Anlass verschiedene Lösungen im Finanz-Ökosystem des Kantons vorgestellt und Startups Alternativen zu den klassischen Modellen aufgezeigt», erklärt Gastgeber Moritz Kistenmacher, Geschäftsführer Startup Baselland.
Neben Hannes Caj, Projektsponsor 100 fürs Baselbiet, schilderten auch die anderen Podiums-Teilnehmenden ihre Dienstleistungen:
Ziel des Events, der im Tenum in Liestal stattfand, war es nicht nur, die verschiedenen Angebote und Anlaufstellen für UnternehmerInnen im Baselbiet sichtbarer zu machen und Wissen zu teilen, sondern auch wertvolle Tipps weiterzugeben.
«Die 70 Teilnehmenden tauschten sich rege aus, und es fanden bereits interessante Folgegespräche statt zwischen den verschiedenen Playern (und mit potenziellen Geldgebern)», freut sich Moritz Kistenmacher, der (zusammen mit den Partnern) eine Fortsetzung dieses Event-Gefässes plant.
Bericht: Kathrin Cuomo-Sachsse; Fotos: Tea Ganser