news vom 14.06.25

Aus dem Scheitern lernen und darüber reden

Offen über ihre Rückschläge sprachen drei Firmengründer an der ersten Fucknights Basel in Laufental. In der Kapelle in Zwingen offenbarten Rafal Waber, (SwissShrimp), Lorenz Pöhlmann (adretto), und Laurent Decrue (u.a. Holycode™), den über 40 BesucherInnen, warum sie gescheitert und wie sie damit umgegangen sind bzw. was sie daraus gelernt haben. Neben geschäftlichen standen zwischenmenschliche Probleme im Fokus ihrer Geschichten. Auch vor Burnout warnten die drei Redner. Michele Matt, Geschäftsführer Business Park Baselland, machte beim Aufbau von MyCamper selbst Erfahrungen damit. Er hat zusammen mit Patrick Neuenschwander von der Promotion Laufental, Tea Ganser, Projektleiterin startup baselland, und Jutta Jerlich, Gründerin von #FUNBasel (Kürzel von FuckUp Nights) Basel», den Event initiiert, den man im Baselbiet zu wiederholen plant.

Es lag quasi in der Luft, in dieser schönen Umgebung im Laufental eine FuckUp Night zu veranstalten. «Gerade solche Erfahrungen braucht es fürs Vorwärtskommen im Unternehmertum, betonte Tea Ganser. Mit dem Anlass wolle man Anderen Mut machen. Dazu waren die drei Redner eingeladen, «in 7 Minuten mit ihren Geschichten weiterzugeben, auch was sie emotional dabei berührt hat», ergänzte Michele Matter. Viele bewegende menschliche Momente gaben diese dem zahlreich erschienen Publikum preis:

Rafael Waber (SwissShrimp): erster Crevettenbauer der Schweiz

Rafael Waber hat mit viel Innovationsgeist, Elan und Ausdauer im Kanton Aargau eine der modernsten Shrimps-Farmen Europas aufgebaut. Einige Jahre investierte der ehemalige «Crevetten-Bauer» Tausende Arbeitsstunden ohne Lohnbezug in sein Geschäft (das mit 200'000 CHF Fremdkapital an den Start ging.)

Um rentabel zu sein, musste eine skalierbare Menge Garnelen/Crevetten gezüchtet werden. «Swiss Shrimp» steckte als Mieter rund 10 Millionen CHF in den Ausbau einer grossen Lagerhalle am Standort in Rheinfelden.

Erforderliche Menge nicht erreicht

Weil sich das durchschnittliche Gewicht von 30 Gramm pro Shrimp nach 100 Tagen nicht einstellte, konnte die erforderliche Jahresgesamtgewicht von 60 Tonnen nicht erreicht werden. «Die Zeit rannte uns davon.» Ihr Finanzchef machte immer wieder auf die prekäre Liquiditätssituation aufmerksam.

«So suchten wir nach grossen Abnehmern und frischem Kapital. Und obwohl wir Spezialisten und Verfahrenstechniker beizogen und grosse Kompetenzen aufbauten, liess sich unser Mengenproblem nicht innerhalb nützlicher Frist lösen. Die bisherigen Investoren wollten nicht mehr länger zuwarten. Neue Geldgeber zu begeistern wurde zunehmend anspruchsvoller. Die Medien berichteten vermehrt darüber, dass es uns nicht gut geht.

Rückzug in Phasen

Die Belastung, die er in sich hineinfrass, wurde immer grösser. Bis er endlich darüber redete, stand er kurz vor dem Burn-Out. Schliesslich kommunizierte Rafael Waber, er wolle «phasenweise zurücktreten». Ein neuer CEO übernahm die Geschäftsführung der Firma, und er blieb im Verwaltungsrat.

Als aber seine Frau von Trennung sprach, zog ihm das den Boden unter den Füssen weg: «Jetzt realisierte ich, dass ich zu sehr aufs Shrimps-Geschäft fokussiert gewesen war und zog mich deshalb komplett daraus zurück.» Die Medien schrieben über die Gründe für das Scheitern der Firma und seinen Rückzug. Und auch die Aktionäre zeigten Verständnis dafür.

2025 schloss er sich als Coach der Organisation Scaleup an, die langfristig skalierungswillige KMU begleitet und setzt dazu seinen reichen unternehmerischen Erfahrungsschatz ein.

Lorenz Pöhlmann (adretto): Anzüge online mieten

Eine ähnliche Entwicklung durchlief Lorenz Pöhlmann. Er stellte mit adretto einen erfolgreichen Online-Mietservice für Herrenanzüge und Accessoires auf die Beine und versprach sich mit Deutschland und Österreich noch grössere Absatzmärkte als hierzulande.

Die Idee war bestechend: Im Schnitt tragen Männer ein- bis zwei Mal jährlich einen Anzug. Als er und sein damalig bester Freund vor Jahren zu einer Hochzeit eingeladen waren, suchten auch sie nach passender Garderobe. Aus der Not machten sie eine Tugend und gründeten gemeinsam das Startup.

Comittment von Mitgründer fehlte

Hier hatte er sein grösstes «Learning»: «Starte nie eine Firma, wenn dein Mitgründer nicht voll dahintersteht!» Dieser wollte nur zu 10 Prozent mitmachen bzw. Aufwand und Risiko nicht richtig mittragen. «Hingegen nahm ich die ganze Bürde auf mich. Das raubte mir nachts zunehmend den Schlaf», erzählte er am FuckUp-Event. Selbst als es bei der «Höhle der Löwen» um die erste Finanzierungsrunde ging, war die Aufteilung nicht klar. Über einen Anwalt wurden sie schliesslich 2022 juristisch voneinander getrennt.

Ihm war bis dahin nicht bewusst gewesen, dass eine Klärung der Arbeits- und Anteilsverhältnisse unter Partnern so wichtig ist. Die Investoren und Aktionärsbindungs-Verträge waren weitere Knacknüsse. Die Kippunkte, die schliesslich zum unternehmerischen Scheitern führten, bezeichnet er als «vielschichtig». Ein Grund lag im E-Commerce: 50 des Umsatzes wollte man mit Bestandskunden machen, erzielte jedoch nur zwischen 15 und 20 in der Schweiz und in Deutschland. Es zeigte sich, dass die Kunden selten ein zweites Mal Anzüge mieten. Zudem liess generell die Investier-Freude in ihr Unternehmen nach.

Belastung wurde zu gross

Langsam wuchsen ihm die Probleme über den Kopf, und er verbrachte selbst die Ferien mit der Familie in Misslaune. «Als 2023 noch meine Mutter unerwartet verstarb, war ich völlig von den Socken.» Die tiefe Trauer löste wie ein Katalysator den Nebel um ihn herum. «Mir war klar, ich wollte mein Leben nicht weiter mit solchen Dingen erschweren, sondern beflügeln.» Drei Wochen später war seine Blockade und damit das Problem – wenn auch «unschön» – gelöst.

2024 ging die junge Firma in Insolvenz und stellte den Betrieb ein. Heute berät Lorenz Pöhlmann Startups und KMUs in der Wachstumsphase, damit sie nicht die gleichen Fehler wie er machen müssen…

Laurent Decrue: leidenschaftlicher Multi-Unternehmer

Laurent Decrue durchlebt immer wieder Wellen des Zweifelns und Haderns. Der erfolgreiche Multi-Unternehmer (Serial Entrepreneur) startete bei Barista, gründete und verkaufte MOVU AG an Baloise, war CEO von Bexio, die von der Mobiliar übernommen wurde, und ist als Mitbegründer heute noch Co-CEO der IT-Firma Holycode™ (u.a. mit Standort in Binningen).

Während seiner Weiterbildung (zum Unternehmer) schlitterte der Ökonom in «in ein Burnout» und bekam auch private Probleme mit seiner Freundin. Das haute ihn um: «Ich wachte morgens auf und hatte keinen Schnauf mehr, war monatelang nicht mehr aufnahmefähig.» Allmählich baute er sich Stück für Stück wieder auf und machte seinen Masterabschluss.

Erfolgsdruck als ständiger Begleiter

Gründung, Aufbau und Verkauf seiner Firmen machten ihm zwar Spass. Doch war der Druck sein ständiger Begleiter. In dieser Zeit blieben zwei Geschäftspartner Mitarbeiter «psychisch und physisch auf der Strecke». Infolge ihres Burnouts sind sie bis heute arbeitsunfähig. Ihn plagen seither Gewissenbisse. «Bei den ersten Anzeichen (dieser Krankheit) musst du dir professionelle Hilfe holen», appellierte er ans Publikum: «Das Thema darf man nicht verniedlichen, es kann Leben zerstören.»

Als leidenschaftlich engagierter Unternehmer bewegt er sich immer hart am Limit. Mal ist ihm zum Lachen, dann wieder zum Weinen zumute. Auch haben die Krisen ihre Spuren bei ihm hinterlassen: «Ich bin nicht mehr ganz so lebensfroh wie damals.» Doch habe er gelernt, mit «Downs» umzugehen, «die Wurzel zu suchen, am System zu basteln, bis es wieder läuft». Ausserdem schläft er täglich acht Stunden, trainiert regelmässig; ernährt sich gesund; am Feierabend bis zur Kinderbettzeit und am Wochende arbeitet der einstige Workaholic nicht, sondern widmet die Freizeit konsequent seiner Familie.

Er ist wie Lorenz Pöhlmann und Rafael Waber inzwischen auch Mentor und Coach beim Business Park Baselland.

Offen kommunizieren und für sich sorgen

Fazit der FuckUp Night: Unternehmerisches Scheitern gehört dazu und bietet wertvolle Lernchancen; für eine nachhaltige Leistungsfähigkeit braucht es Selbstfürsorge; Erwartungen gilt es offen zu kommunizieren – in Teams, Partnerschaften und Geschäftsbeziehungen.

«Sprecht über eure Probleme», wandte sich Michele Matt, der selbst beim Aufbau von MyCamper ein Burnout erlitt und gegen seine Ängste ankämpfte, ans Publikum.

Auch die Teilnehmenden wurden zu ihren Learnings sowie zum Praxisbezug befragt – also wie man dieses Thema im Geschäft oder privat umsetzen und an Andere weitertragen kann.

Die Initianten planen, das neue Format zu wiederholen, auszubauen und in der Region Baselland zu etablieren.

Bannerfoto oben v.l.: Lorenz Pöhlmann, Laurent Decrue, Michele Matt, Jutta Jerlich, Tea Ganser, Patrick Neuenschwander und Rafael Waber

Bericht: Kathrin Cuomo-Sachsse, Redaktion startup baselland; Fotos: KCS und

 

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