news vom 17.08.22

Innovationsgeist von «hinge füre»

Was macht die Region für Unternehmen attraktiv? Welche Rahmenbedingungen finden Firmen und Startups hier vor? Und wie werden im Baselbiet Gründungen und Ansiedlungen unterstützt? Im Gespräch mit Beat Röthlisberger, Geschäftsleitungsmitglied bei der BLKB und Leiter des Geschäftsbereichs Unternehmenskundenberatung, äussert sich Thomas Kübler, Leiter der Standortförderung Baselland, zu den Vorzügen und Herausforderungen im "ländlichen Innovations-Raum", zu Aufgaben und Rolle der Organisation sowie zur Partnerschaft im Rahmen von "100 fürs Baselbiet".

Beat Röthlisberger: Was sind die Stärken des Baselbiets?

Thomas Kübler: Die Wirtschaftsstruktur ist breit abgestützt. Viele verschiedene Branchen sind hier vertreten, es ist ein diversifiziertes Umfeld. Im Baselbiet gibt es attraktive Wirtschaftsareale. Über den Weg der dualen Berufsbildung haben wir viele hervorragend ausgebildete Arbeitskräfte. Mit der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW haben wir herausragende Weiterbildungsmöglichkeiten. Doch das Baselbiet ist nicht nur super zum Arbeiten, sondern auch schön zum Wohnen – hier lässt sich beides ideal verbinden. Diese Faktoren machen es aus – so bleibt das Baselbiet attraktiv und wettbewerbsfähig.

Wie hat sich die Region in den letzten zehn Jahren wirtschaftlich entwickelt?

Es ist eine dynamische Entwicklung. Wir können mit der Schweiz und anderen Regionen mithalten. Wir sind sehr gut durch die Covid-Einschränkungen gekommen. Im Gesamtrückblick lässt sich sagen: Wir verzeichnen eine starke Entwicklung, die sich in den letzten Jahren akzentuiert hat.

Inwiefern wird Unternehmertum im Baselbiet gefördert? Wo hat es noch Entwicklungspotenzial?

Die Bevölkerung für Wirtschaftsthemen zu sensibilisieren, ist eine permanente Aufgabe. Da gibt’s noch viel zu tun. Als Standortförderung unterstützen wir seit vielen Jahren die Gründungsberatung. Wir möchten hier Ansässige dazu motivieren, unternehmerisch selbstständig tätig zu sein. Wir sind uns sicher, dass eine hohe Anzahl Unternehmensgründungen dazu führt, dass eine Gesellschaft agil ist, dass neue Ideen ins Wirtschaftsleben kommen, dass wirtschaftliches Gedankengut verbreitet wird. Das ist eine unserer wichtigsten Aufgaben.

In der Vor-Gründungsphase und in den frühen Phasen der Unternehmensgründung gibt es noch einige Fragezeichen. Wie ist dieser Prozess gestaltet, kann man ihn vereinfachen, kann man ihn digitalisieren? Was braucht es für Abklärungen? Kann man dies vereinfachen? Ideal wäre ein einfacher digitaler Prozessleitfaden, der Interessent:innen da durch führt. Da gibt es schon noch Handlungsbedarf. Schlussendlich ist es jedoch eine Frage des Mindsets. Wir müssen ein Bewusstsein schaffen, dass Unternehmertum ein Ziel ist, das erstrebenswert ist.

Das heisst, nicht nur das Administrative ermöglichen, sondern auch die Idee von Unternehmertum in den Köpfen verankern.

Ganz genau.

Bei privaten Investor:innen entsteht oft eine höhere Dynamik als bei staatlicher Förderung. Wie beurteilst du das?

Erfolgreich sind Arealentwicklungen dann, wenn wir nur eine:n Eigentümer:in haben, sowie einen klaren Fokus und eine langfristige Vision - und diese konsequent verfolgt wird. Wenn man ein Areal entwickeln will, muss man ein klares Ziel vor Augen haben, man muss die Zielkund:innen kennen und diese akquirieren. Wenn es nur eine:n Eigentümer:in gibt, sind die Entscheidungswege kurz und der Horizont langfristig orientiert. Das trägt zu einer erfolgreichen Arealentwicklung bei. Wenn man bei jeder Prozessstufe Diskussionen hat – beispielsweise im politischen Umfeld – dann geht’s länger.

Ist das für uns ein Problem? Nein – es entspricht der wirtschaftspolitischen Haltung im Baselbiet. Wir verstehen den Staat so, dass wir die Rahmenbedingungen gestalten, damit die Privatwirtschaft sich entwickeln kann. Wir haben eine gesellschaftliche Aufgabe – die Wirtschaft muss in der Bevölkerung verankert sein.

Das Investment von privaten Investor:innen kann man nicht hoch genug schätzen – sie gehen mit ihrem privaten Vermögen ins Risiko. Unser Job ist es, diese Entwicklungen zu ermöglichen. Wir müssen nicht meinen, wir könnten die Wirtschaft selbst kreieren. Wir können Rahmenbedingungen kreieren, in denen Innovation möglich ist – das ist unsere Aufgabe.

Die Standortförderung Baselland ist eine der drei Gründungspartner von «100 fürs Baselbiet». Was ist ihre Rolle in der Initiative und welche Dienstleistungen bietet ihr den Teilnehmenden an?

Die Initiative besitzt eine grosse Ausstrahlungskraft, über die Region hinaus. Wir dürfen Teil des Advisory Boards sein, wir helfen bei der Beurteilung der Cases. Erfolgreiche Kandidat:innen unterstützen wir bei der Findung von Räumlichkeiten sowie bei der Knüpfung von Kontakten. Unsere Rolle ist es, zu fragen: «Seid ihr im Baselbiet? Kommt ihr ins Baselbiet? Was habt ihr für einen Bedarf an Platz? Welche Beziehungen braucht ihr?» Wir helfen dann, diese Beziehungen zu kreieren. Ausserdem bieten wir Verwaltungsdienstleistungen an, z. B. Arbeitsbewilligungen, Baubewilligungen usw.

Welche Bedingungen brauchen junge Unternehmungen, um ihre Geschäftstätigkeiten optimal zu entwickeln? Wieso ist das Baselbiet genau die richtige Region dafür?

Wir wollen ein attraktiver Standort sein für Unternehmensgründungen. Dafür braucht es eine ganze Serie von Rahmenbedingungen. Mit unserer 2019 lancierten Initiative «startup baselland» wollen wir aufzeigen, dass man bei uns all die Elemente dazu in geeigneter Form findet: Eine gute Gründungsberatung durch die hier ansässigen Businessparks ist meiner Meinung nach eine der wichtigsten Faktoren. Weiter braucht es Finanzierungsmöglichkeiten. Hier ist «100 fürs Baselbiet» ein sehr guter Beitrag. Drittens braucht es Raum und Platz, eine gute Infrastruktur.

Für junge Unternehmen ist es zudem sehr wichtig, dass es etablierte Unternehmen in der Region gibt, von denen sie lernen können. Es braucht zudem eine spezifische Arbeitsmarkt-Zusammensetzung: Leute, die bereit sind, in Startups zu arbeiten.

Startups sind voll damit beschäftigt, ihr Geschäftsmodell umzusetzen – sie haben wenig Zeit, sich um administrative Arbeiten zu kümmern. Hier können wir Unterstützung bieten. Im Baselbiet haben wir ausserdem Zugang zu Fachhochschulen und Universitäten. Für technisch ausgerichtete Startups braucht es diesen Zugang – sie müssen von Fachinstitutionen lernen können.

Das alles hilft, damit wir ein attraktiver Standort für Unternehmensgründungen sind und bleiben. Es ist ein ganzes Universum an Faktoren, die im Baselbiet gut ausgeprägt sind. Es ist ein Ort, wo man Unternehmungen gründen kann und gründen will.

Die Gründungsphase zu überleben und sich erfolgreich zu entwickeln, ist schwierig. Das schaffen längst nicht alle. Wie siehst du die Situation in der Region? Schaffen wir es, genug innovative Firmen zu haben, die attraktive Arbeitgeber:innen sind für diese Talente? Was braucht es noch, um langfristig erfolgreich zu sein?

Gesamtschweizerisch haben wir eine relativ hohe Ausfallquote. Firmen, die in der Gründungsphase beraten werden, haben deutlich höhere Überlebenschancen. Es braucht Flächen, in die sie reinwachsen können. Oftmals beginnt ein Startup mit einer kleinen Fläche – und es ist wichtig, dass wir auch für diese flächenmässig kleinen Bedürfnisse Raum bieten. Und dass sich diese Unternehmungen sich dort entwickeln können und nicht gleich den Standort wechseln müssen, wenn sie wachsen. Flexible Infrastrukturen sind enorm wichtig.

Bei der Finanzierung braucht es nicht nur die Gründungs-, sondern auch eine Wachstumsfinanzierung.

Der Arbeitsmarkt ist auch zentral: Die Grösse, Dichte und Potenz helfen sowohl Startups als auch etablierten Unternehmen. Die etablierten Unternehmen können immer wieder Talente von den Startups in ihre Betriebe aufnehmen und die Startups können Leute aus den grossen Unternehmen ansprechen, die vielleicht eine selbstständigere Tätigkeit ausüben möchten. Dieser Austausch funktioniert sehr gut. Es ist ein spannendes Konzept, Startups und etablierte Unternehmen zusammenzubringen – beide profitieren davon.

Zum Schluss gibt es noch die generellen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Es braucht ein anständiges Steuersystem, von dem der Kanton profitiert und welches Unternehmen anspricht.

Zum Schluss noch ein Blick nach vorne: Wo steht die Region in zehn Jahren?

Es wird eine kontinuierliche Weiterentwicklung geben. Viele unserer natürlicher Ausstattungsmerkmale werden noch mehr zum Tragen kommen. Wir können Wohnen und Arbeiten nahe zusammenbringen. Das ist der Vorzug, den wir im ländlichen Raum haben: Es ist ein schöner Wohnort, aber auch ein dezentraler Arbeitsort, wo kreative Köpfe sich treffen können – Innovationsgeist von «hinge füre». Wir haben im Baselbiet viele motivierte Arbeitskräfte und ein hochwertiges Bildungssystem. Die aktuellen Herausforderungen führen dazu, dass die Stärken des Baselbiets eher mehr zum Tragen kommen als weniger. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir eine starke, aktive Rolle spielen können bei der Wirtschaftsentwicklung der Nordwestschweiz, der Schweiz und darüber hinaus.

Quelle: Podcast Interview "100 fürs Baselbiet" (Teil 1 und 2)

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